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DIE METHODE DER VERKNÜPFUNG DER RETROGRADEN KATASTERANALYSE MIT SCHRIFTLICHEN UND ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN

Andrej Pleterski

1 Die retrograde Analyse des Grundstückkatasters

Als Ausgangspunkt diente mir der älteste Grundkataster samt den Katastermappen. In Slowenien ist dies der franziszeische Kataster aus den Jahren 1817-1828. Dem entnahm ich die Katastermappen, Angaben über die Parzellenflächen, die Anführungen der Häusernamen und den Gesellschaftsstatus der Landbebauer. Dies verknüpfte ich mit den Angaben des älteren josephinischen Katasters (1785-1789) über die einzelnen Parzellen: über den Grundherren, die Einträglichkeit und den Flurnamen. Die Angaben des josephinischen Katasters trug ich in die Mappen des franziszeischen Katasters ein, und zwar so, daß ich zunächst zu jeder Parzelle die Hausnummer ihres Besitzers hinzuschrieb, und diese ist in der Regel dieselbe wie im josephinischen Kataster. Da die Kommission, die den josephinischen Kataster zusammenstellte, das Terrain beging und der Reihe nach die Parzellen samt den entsprechenden Angaben aufzeichnete (darunter auch die Hausnummern der Landbebauer), stimmt die Reihenfolge der Hausnummern im josephinischen Kataster mit jener in der franziszeischen Katastermappe überein. Und damit sind auch die Parzellen beider Kataster einander angeglichen. Die franziszeische Numerierung der Parzellen ist für die erwähnte Angleichung nicht von Bedeutung, da aus der Reihenfolge dieses Katasters ersichtlich ist, daß die Numerierung nicht auf dem Terrain entstanden ist, sondern die Bedürfnisse desjenigen berücksichtigt, der die Parzelle in der Mappe sucht, und nicht desjenigen, der die Flur begeht. So liegt vor uns ein ergänztes, rekonstruiertes Bild des josephinischen Katasters. Für die Entwicklungsrekonstruierung eines bestimmten Dorfes genügt in der Regel nur die Erörterung seiner Flur, wie sie aus beiden Katastern ersichtlich ist, doch nicht immer. Wenn aus einem Dorf mehrere Dörfer entstanden sind, oder wenn ein Teil der Flur nachträglich entfremdet worden ist, müssen unbedingt auch die benachbarten Grundstücke hinzugezogen werden. Daß es sich manchmal auch um unterschiedliche Katastergemeinden handelt, darf uns nicht beirren. Ein anschauliches Beispiel dafür bieten die Dorfpaare Mlino - Selo (Župa, III.13.c.) und Želeče - Zagorice (Župa, III.12.c.). Da jedoch solche Fälle nicht im vornherein vorauszusehen sind, lassen sich mögliche Irrtümer bei der Entwicklungsdeutung nur eines einzigen Dorfes am leichtesten dadurch vermeiden, daß gemeinsam eine zumindest regional geschlossene Dorfgruppe erörtert wird. Diese Vorgehensweise ermöglicht auch oft, die wechselseitige zeitliche Reihenfolge der Flurenaufteilung der einzelnen Dörfer festzustellen, z. B. Viševnica - Sp. Gorje (Župa, III.2.c.), Blejska Dobrava - Zg. Blejska Dobrava (Župa, III.17.c.), Zasip - Mužje (Župa, III.1.c.), Sp. Bodešče - Zg. Bodešče (Župa, III.3.c.). Das sich in der Katastermappe abzeichnende Bild sagt über die alten Zeiten an sich selbst gar nichts aus, es ist ja lediglich die Darstellung des augenblicklichen Standes. Die anscheinend ungeregelte Menge der einzelnen Parzellen birgt jedoch häufig Zeugnisse über erheblich ältere Zaiträume in sich. Als Werkausgangspunkt bei der Flurerörterung der einzelnen Dörfer diente mir die Eschkerntheorie, laut deren eine Siedlung zunächst verhältnismäßig wenig kultiviertes Land hatte, und zwar in unmittelbarer Nähe, in der Regel auf besonders günstigem Boden, als sich die Siedlung jedoch vergrößerte, wurden zum Kultivieren neue, vom Dorf weiter abgelegene Fluren hinzugezogen, doch auch der alte Flurkern mußte weiterhin zerstückt und aufgesplittert werden. Die Dörfer, deren Entwicklung im Einklang mit dieser Theorie vor sich gegangen war, ermöglichen eine retrograde Analyse, welche die älteren Erscheinungsformen in den jüngeren aufzuspüren versucht.- Den Arbeitsablauf werden wir am Beispiel des Dorfes Spodnje Gorje (Župa, III.2.) veranschaulichen.

1.1 Die Katastermappe

Beginnen wir beim Offensichtlichsten - der franziszeischen Katastermappe. Beredt ist schon der Randbereich der geschlossenen Dorfflur. Sehr jung ist jene Flur, wo der Besitz mehrerer Dörfer vermischt ist. Diese Flur wurde erst im Zeitpunkt, als die umgebenden Dörfer bereits standen und den Raum in ihrer unmittelbaren Nähe schon aufgebraucht hatten, zur Bebauung zugezogen. Jung sind die schmalen Flurzungen oder -inselchen eines Dorfes, die sich in den geschlossenen Besitz des Nachbardorfes einzwängen. Hier handelt es sich nahezu stets um bereits neuzeitliche Besitzänderungen, im Einklang mit dem Anwachsen der Verfügungsrechte der Bauern über das von ihnen bebaute Land. Dadurch stieg der Umsatz der Grundstücke an.

Die Grundgattung der landwirtschaftlichen Flächen sind die Äcker, hier ist das persönlich gebundene Eigentumsverhältnis zuerst und am klarsten zur Geltung gekommen. Demzufolge können wir unsere Untersuchung primär auf die Ackerflächen konzentrieren. Jung sind die Äcker von unregelmäßiger Form, die vereinsamt inmitten kleiner Wiesen liegen. Die geschlossenen Ackerflächen der einzelnen Bleder Dörfer der Region liegen meistens getrennt voneinander. Wenn sie jedoch in gerader Linie aneinder grenzen, häufig sogar auf einer Flur mit demselben Namen, handelt es sich um eine gemeinsam erfolgte Aufteilung ihrer Ackerflächen, was die Vergleichung der Flurverteilungentwicklung von Nachbardörfern ermöglicht.

Das Gelände von Spodnje Gorje (Abb. 1, 2, 3) erstreckt sich zwischen dem Gelände von Viševnica im Westen, Poljšica im Süden, Rečica im Osten und Podhom im Nordosten. Vom Podhom-Gelände trennt es die Weide Radolca. Gegen Rečica zu liegen vor allem Wiesen, die sich auch von Rečica her erstrecken. Die sich in das Gelände von Rečica einschiebende Zunge ist verhältnismäßig jung. Längs der Grenze von Poljšica dehnen sich Äcker, die jedoch nicht an die Äcker von Poljšica grenzen, sondern durch die Schlucht Klobasnica davon getrennt sind. Einer der Äcker von Poljšica, der sich in die Flur von Spodnje Gorje einzwängt, ist eine jüngere Erwerbung des Dorfes Poljšica. Im Westen grenzen die Äcker von Spodnje Gorje in gerader linie an die Äcker von Viševnica. Beide umfaßt auch der gemeinsame Flurname (Abb. 4) Na rivouce (=Na gorevouce). Diese Wörtergruppe bedeutet ein durch Brandrodung gewonnenes Grundstück (goreti = brennen). Dies weist auf die Wahrscheinlichkeit hin, daß beide Dörfer dieses Gelände gemeinsam ausrodeten und dann untereinander aufteilten. - Die meisten Äcker von unregelmäßiger Form, die überdies vereinzelt inmitten von Wiesen liegen, befinden sich östlich des Dorfes. Diese Äcker können als relativ jung angesehen werden.

1.2 Die Eintragung der einzelnen Angaben in die Katastermappe

Zunächst ist es angebracht, die Lage des Keuschlerbesitzes (Keuschler - klein Bauer) zu überprüfen. Da se sich um eine Gesellschaftsschicht handelt, die sich erst seit Ende des Mittelalters formiert hat, steht fest, daß sie nur bei der jungen Flurrodung mitwirken konnte. Demnach sind die Bereiche des Keuschlerbesitzes verhältismäßig jung. Nur ausnahmsweise befinden sich Bereiche des Keuschlereigentums auf der alten Dorfflur. In solchen Fällen handelt es sich häufig um Teile einer ehemaligen Hube, die aufteilbar war und deshalb im Laufe der Jahrhunderte aufgesplittert wurde.

Schon vorher wurde erklärt, wie sich die Angaben des josephinischen Katasters in die franziszeische Katastermappe eintagen lassen. Auf diese Weise können wir uns eine genaue Karte der Flurnamen anfertigen, die uns ziemlich viele Angaben vermitteln kann. Zuweilen hilft sie bei der Suche nach den älteren Bebauungseinheiten. Ein Flurbereich mit einem Flurnamen umfaßt in der Regel mehrere Eigentumsparzellen. Die älteren Namen umfassen gewöhnlich einen größeren Raum, die jüngeren hingegen je eine Parzelle und überschneiden die älteren. Die Grenzen der Fluren mit älteren Namen decken sich manchmal mit den alten Besitzgrenzen. Interessanterweise sagt das Bild der Namen das meiste über jene Dörfer der Bleder Region aus, deren Fluren im 11. Jh. aufs neue aufgeteilt wurde. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen behelfsmäßigen Weg bei der Suche nach den älteren Umrissen. Man kann sich auch mit den Flurnamen behelfen, welche die ehemaligen (in unserem Falle altslawischen) Besitzer bedeuten, jedoch nur, wenn das Grundstück beim Dorf liegt und nicht sekundär aufgeteilt wurde. Auch diese Namensreihe bietet nur einen Werkausgangspunkt.

Mancherlei sagt indessen auch die Bedeutung der Flurnamen aus. So läßt sich daraus erschließen, welche Äcker auf ehemaligen Wiesen oder im Wald entstanden sind. Diese sind natürlich jüngeren Datums. Gelegentlich erfahren wir sogar etwas über die Rodungsweise, z.B. durch Brand. Mit ihren Angaben über die einstige Pflanzenwelt, die Gestaltung des Grundstücks, über die Bodenarten helfen uns die Flurnamen überdies bei der Rekonstruktion der ehemaligen Kulturlandschaft. Darüber, daß sie uns außerdem eine ganze Reihe archäologisch interessanter Punkte vermitteln, möchte ich mich gar nicht besonders auslassen.

Das Nächste, dessen Kartierung förderlich ist, sind die Angaben über den Bodenertrag. Der josephinischen Kataster gliedert ihn in drei Kategorien auf: schlecht, mittelmäßig und gut. Uns interessiert nicht dessen finanzielle Bewertung, sondern die wechselseitigen Unterschiede der Dorfflur. Der Ertrag vereint in sich unterschiedliche Angaben über die ihn gestaltenden Gegebenheiten: die Art des Bodens, die klimatischen Verhältnisse, die Gestaltung des Grundstücks. Die Unterschiede im Ertrag sind bei Wiesenflähens kleiner als bei Ackerflächen, außerdem liegt der Ertrag der Wiesen in der Regel um eine oder sogar zwei Stufen über dem Ertrag der Ackerflächen auf denselben Fluren. Deshalb habe ich nur den Ertrag der Ackerflächen berücksichtigt, um ein klarer umrissenes Bild davon zu gewinnen. Die älteste Dorfflur schließt die ertragreichsten Äcker oder zumindest die Mehrheit davon in sich.

Nachdem wir alles Angeführte vollzogen haben, kann schon der Abriß des ursprünglichen Flurkerns ersichtlich werden, allerdings, falls ihn das Dorf überhaupt hat. Doch dies können wir nicht im vornherein wissen. - Jetzt bleibt uns noch die Beurteilung der Hausnummern übrig, die wir als erstes in die Katastermappe eingetragen haben, um den josephinischen und den franziszeischen Kataster miteinander zu verknüpfen. Am einfachsten ist es, zu überprüfen, wo die einzelnen Huben ihre Äcker haben. Jene Huben, deren Äcker nur auf der jüngeren Flur liegen, sind jung und wir können sie abschreiben. Jene Hube, deren Äcker nur auf der jüngeren Flur liegen, sind jung und wir können sie abschreiben. Jene Hube, deren Äcker sich alle auf der älteren Flur befinden, gehört zu den ältesten, während diejenigen Huben, bei denen ein Teil der Äcker auf der älteren, ein Teil dagegen auf der jüngeren Flur liegt, jünger als die erstangeführte sind. Jedoch kennen wir auf dieser Stufe unserer Arbeit oft noch nicht den genauen Umfang des ursprünglichen Flurkerns und außerdem sind Huben, deren Äcker nur auf der alten oder auf der jungen Flur liegen, sehr selten.

* * *

In Spodnje Gorje haben die Keuschler ihren Besitz vor allem im Nordteil der Dorfflur (Abb. 3). Unter ihren Besitz mischen sich auch Anteile der Nachbardörfer. All dies weist darauf hin, daß diese Flur in junger Zeit gerodet wurde. Die übrigen Einzelparzellen des Häuslerbesitzes lassen an sekundäre Erwerbung von den älteren Huben denken.

Abb. 4. Spodnje Gorje. Verbreitungsgebiet der Flurnamen nach dem josephinischen Kataster aus dem J. 1785. Der dicke Strich bezeichnet den Bach Dobrul.

Manches vermittelt die Flurnamenkarte (Abb. 4). Der Name U gabrce (gaber = Weißbuche) Nordteil der Dorfflur, der zugleich den Keuschlerbesitz in sich schließt, ist ein Hinwies auf die junge Rodung eines Weißbuchenwaldes. Der Flurname Na rivouce im Westen weist auf Brandrodung während eines nicht der ältesten Zeitabschnitte des Dorfbestehens. Die Namen Na ledine (ledina = Flur) und U travence (travnik = Wiese) kommen am häufigsten östlich des Dorfes vor. Sie bezeichnen junge Äcker auf ehemaligen Fluren und Wiesen.

Zu erörtern sind mindestens noch drei Namen: Na došce, Na Radolce, Pr Dobrule. Der erste bedeutet "Langer Acker" und umfaßt den Ackerkomplex im Süden der Dorfflur. Er deutet die Möglichkeit an, daß es sich um eine ehemalige Bebauungseinheit handeln könnte. Die gleiche Möglichkeit deutet sich in den zwei anderen Namen an, die beide aus den altslawischen Namen Radol und Dobrul, den Namen der einstigen Besitzer, abgeleitet sind. Das Grundstück Na Radolce gehörte also einer Eigentums- Bebauungseinheit an. Die Flur Pr Dobrule ist zwar sehr klein, bedeutet aber Grundstück am Bach namens Dobrul. Das läßt sich so erklären, daß Dobrul der Besitzer des Grundstücks war, durch welches der genannte Bach fließt.

Abb. 5. Spodnje Gorje. Der Ackerertrag nach dem josephinischen Kataster. 1 - mittelmäßiger, 2 - guter.

Die Karte des Grundertrags (Abb. 5) zeigt, daß am einträglichsten die Äcker südöstlich des Dorfes, die größten Flächen der mittelmäßig einträglichen Äcker hingegen südlich des Dorfes liegen. - Im Südteil der Dorfflur befinden sich auch die größten geschlossenen Ackerflächen. Alles bisher Angeführte weist darauf hin, daß diese Flur zuerst gewonnen wurde, daß hier der ursprüngliche Flurkern zu suchen ist. Hier haben keine Äcker die Huben 2 und 14, die demzufolge als jünger zu betrachten sind.

1.3 Rekonstruktion der älteren Fluraufteilung

Nun müssen wir an den heikelsten, am meisten von der persönlichen Beurteilung abhängigen Teil des Verfahrens herangehen. Da die ursprünglichen Bebauungseinheiten, wie auch später die Huben, mehrmals aufgeteilt werden konnten, müssen die Gruppen der ständig benachbarten Hausnummern ermittelt werden. Diese Nachbarschaft entstand, wenn die einzelnen Einheiten innerhalb ihres Rahmens aufgeteilt wurden, nicht aber die gesamte Dorfflur jedesmal aufs neue. Anhand der Schriftquellen war es möglich, bei den Bleder Dörfern lediglich die Aufspaltung der Huben aus junger Zeit zu dokumentieren. Diese Beispiele zeigen die charakteristische Teilungsweise des Landes. Viele Parzellen wurden in zwei Hälften aufgeteilt. Je früher die Teilung durchgeführt wurde, um so mehr neuen, selbständig liegenden Besitz konnten sich die zwei neu entstandenen Hälften aneignen. Aus einer älteren Bebauungseinheit konnten zwei neue entstehen, in den Fällen aber, wo die erweiterten Bebauungseinheiten - die Höfe - zerfielen, konnten mehrere neue Einheiten entstehen. Da wir die Resulate nicht in vornherein kennen, müssen wir sowohl auf die Hausnummernpaare als auch auf sich wiederholende Gruppen mehrerer Hausnummern achten.

Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß bei der Aufteilung nicht jede Einzelparzelle der alten Bearbeitungseinheit konsequent aufgeteilt wurde, sondern mehr Aufmerksamkeit auf den Gesamtumfang der Ackerflächen gerichtet war. Deshalb kann uns beim Suchen nach den richtigen Paaren häufig die Berechnung der Ackerflächen der einzelnen Huben behilflich sein. Die Huben, deren Ackerflächen kleiner als der Dorfdurchschnitt sind, sind gewöhnlich durch Teilung entstanden. Auf diese Weise können jedoch in der Regel nur die jüngeren Aufspaltungen festgestellt werden, als es nicht mehr Zeit oder Raum genug gab, den Besitz der neuen Einheiten zu vergrößern.

Mehr erfahren wir, wenn wir die Ackerflächen jeder Besitzeinheit für sich auf der älteren Flur und für sich auf der jüngeren Flur berechnen und dann diese einzelnen Berechnungen miteinander vergleichen. Die anläßlich derselben Aufteilung der Flur entstandenen Huben haben zumindest ungefähr gleich große Ackerflächen, doch öfters gilt dies nur für jene auf der alten Flur, denn nach der Verselbständigung hat jede für sich diese Flächen auf ihre eigene Weise vergrösert. - Wie wir uns beim Suchen nach den richtigen Gruppen mit der Flurnamenkarte helfen können, wurde bereits oben erklärt.

Es gelingt nur selten, die richtige "Kombination" schon beim ersten Versuch zu ergrunden. Das Verfahren muß öfters wiederholt werden. Die vermeintlichen Hubengruppen werden danach vereint und von ihrem Besitz als Ganzem wird eine Zeichnung angefertigt. Falls der richtige Schlüssel verwendet wurde, zeigen sich die Umrisse einer älteren Flurteilung. Dies kann schon die älteste erhaltengebliebene Aufteilung sein und so ist die Arbeit auf dieser Stufe abgeschlossen. Bei den Bleder Dörfern handelt es sich also um eine einmalige planmäßige Aufteilung unter eine geringere Zahl der ursprünglichen Bebauungseinheiten, oder es kann sich um eine erweiterte Bearbeitungseinheit handeln, auf der indessen mehrere Familien lebten. Eine solche Aufteilung ist nicht die Folge einer längeren Entwicklung, die uns zeitlich noch weiter zurück führen könnte.

Betrachten wir nun, wie das gewonnene Bild in diesem Fall aussieht. Erhalten wir ein solches, das zeigt, daß ein Teil der Dorfflur gleichmäßig unter die einzelnen Bebauungseinheiten aufgeteilt ist und der andere Teil jeder Bebauungseinheit in einem einzigen Stück zugewiesen ist, kann noch weiter verfahren werden. Die gleichmäßig aufgeteilte Flur ist älter, die "Einödfluren" jünger. Über das Vereinen der Bestandteile schließen wir wie oben, bloß daß es jetzt nur wenige Bebauungseinheiten gibt, deren Äcker lediglich auf der ältesten Flur wären.

Abb. 6. Spodnje Gorje. Flurbesitz der einzelnen Hubengruppen. 1 - 2, 6, 12, 16; 2 - 4, 9, 13, 14, 15; 3 - 1, 5.

Betrachtet man, wie der Besitz der Huben von Spodnje Gorje auf der vor der Keuschler-Kolonisation gerodeten Dorfflur angeordnet ist (Abb. 6), sind zunächst zwei Gruppen wahrzunehmen: 1, 2, 5, 6, 12, 16 und 4, 9, 13, 14, 15. Im Rahmen dieser Gruppen sind etwas enger die Grundstücke der Huben 1 und 5, 2 und 16, 9 und 15, 13 und 14 verflochten. Die Ackerflächen der einzelnen Huben auf der geschlossenen Dorfflur betragen wie folgt: 1 - 3,1 ha, 5 - 3,2 ha, 2 - 1,9 ha, 16 - 2,3 ha, 6 - 4,8 ha, 12 - 3,9 ha, 4 - 2,7 ha, 9 - 2,2 ha, 15 - 2,3 ha, 13 - 2,5 ha, 14 - 2,0 ha. Die geringste Ackerzahl besitzt Hube 2 und noch diese liegen nicht auf der ältesten Flur. Es läßt sich behaupten, daß es sich um eine junge, durch Abspaltung von Hube 16 entstandene Hube handelt. Ähnliches gilt für Hube 14, die höchstwahrscheinlich durch Abspaltung von Hube 13 entstanden ist. Bei der Beurteilung der übrigen Paare 1 und 5, 9 und 15 wird ersichtlich, daß 1 und 9 mehr Äcker auf der jüngeren Flur östlich des Dorfes haben als 5 und 15, deshalb ist zu vermuten , daß sich Hube 1 von Hube 5 abgespaltet hat und Hube 9 von 15. So lassen sich folgende "Ur-Huben" in zwei Gruppen aufzählen: 5, 6, 12, 16 und 4, 13, 15.

Nachdem wir den Besitz jeder Gruppe für sich einheitlich bezeichnet haben, wobei wir als dritte Gruppe noch Hube 5 bestimmt haben, die als einzige ihren Besitz nur in unmittelbarer Umgebung des Dorfes hat, steht vor uns ein beredtes Bild. Hube 5 hat ihren Besitz nur beim Dorf und er ist gleichmäßig mit dem Besitz der Gruppe 6-12-16 durchflochten. Diese Gruppe hat einen Teil ihrer Äcker auf der Flur Na došce, ansonsten aber ein großes geschlossenes Stück des Nordteils der Dorfflur. Dieses Stück schließt auch die Flur Na Radolce in sich. Gruppe 4-13-15 hat den zweiten Teil ihrer Äcker auf der Flur Na došce, ansonsten aber ein großes geschlossenes Grundstück teilweise nördlich des Dorfes, vor allem jedoch östlich und südöstlich davon. Durch ihren Besitz fließt der Bach Dobrul. Die einzelnen Inseln der Gruppe 6-12-16 auf ihrem Besitz sind höchstwahrscheinlich die Folge eines sekundären Eigentümerwechsels im Laufe der Jahrhunderte.

Dieses Bild zeigt, daß die Flur im Norden und Osten später als jene im Westen und Süden gerodet worden ist. Der Besitz aller drei Einheiten verflicht sich nur auf der Flur südlich des Dorfes, was die Anname untermauert, daß sich dort der ursprüngliche Flurkern befindet. - Die zwei Einheiten 4-13-15 und 6-12-16 waren ursprünglich kleiner. Erst nachdem die Familienzahl anstieg (die späteren Huben), mußten sie für sich die Flur nördlich und östlich des Dorfes roden. In der Bebauungseinheit 4-13-15 hat die meisten Äcker auf der älteren Dorfflur westlich und südlich des Dorfes die Hube 4, in der Einheit 6-12-16 hingegen Hube 6. Folglich können wir diese zwei als Stamm-Huben von 13, 15 und 12, 16 auffassen.

Abb. 7. Spodnje Gorje. Flurbesitz der Althöfe 4, 5, 6. 1 - altslawische Nekropole. Mit den leeren Rahmen sind die Wohnhäuser der späteren Huben 12, 13, 15, 16 bezeichnet.

Jetzt wollen wir uns das Bild ausgestalten, das die Anordnung des Besitzes zwischen den "Ur-Huben" 4, 5, 6 auf der älteren Dorfflur westlich und südlich des Dorfes veranschaulicht (Abb. 7). Hube 4 hat ihren Besitz in einem Stück südöstlich des Dorfes und überdies noch einen Acker auf der Flur Na došce. Der Besitz von 5 und 6 ist gleichmäßig verflochten. Der Großteil erstreckt sich nordwestlich des Dorfes, wo auch der Flurname Na rivouce auftritt, der darauf hinweist, daß diese Flur jünger ist als jene südlich des Dorfes. Demnach bildeten auch 5 und 6 ursprünglich ein kleineres Ganzes. Die Stamm-Hube war vielleicht 6, die südlich des Dorfes 2,4 ha Äcker hat, 5 hingegen etwas weniger - 1,9 ha.

Abb. 8. Spodnje Gorje. Flurbesitz der Althöfe 4, 6. 1 - altslawische Nekropole.

Abb. 9. Spodnje Gorje. Ursprünglicher Flurkern. 1 - altslawische Nekropole.

So können wir uns also nur noch auf die Flur südlich des Dorfes und auf die Anordnung des Besitzes der Huben 4 und 6 konzentrieren (Abb. 8). 4 hat geschlossenen Besitz im Ostteil, 6 im Westteil, während im Mittelteil der Besitz beider Huben durcheinandergeflochten ist. Hier dehnen sich auch die grösten geschlossenen Ackerflächen aus. Da der Kern unter beide Einheiten aufgeteilt ist, während jede den Randbereich in einem einzigen Stück besitzt, läßt sich schließen, daß beide zusammen ursprünglich eine kleinere Bebauungseinheit bildeten. Dies war vielleicht 4, die im ursprünglichen Kern 3,4 ha Äcker hat, wogegen 6 nur 3 ha besitzt. So erschließt sich letztlich der Kern als relativ regelmäßiggestaltete (insofern dies wegen des ziemlich bewegten Geländes überhaupt durchführbar war) Ackerfläche (Abb. 9). Diese mißt 6,4 ha und ist in drei Teile aufgeteilt, die je 1,9 ha, 2,1 ha und 2,4 ha messen. Die Grenzen zwischen diesen Teilen wurden von sämtlichen späteren Vermessungen berücksichtigt. Der südlich gelegene dieser drei Teile ist die Flur Na došce.

1.4 Der Dorf-Grundriß

Nachdem wir ein bestimmtes Bild der Entwicklung und der einzelnen Entwicklungsstufen gewonnen haben, können wir es auf mehrere Weisen überprüfen. Eine sichtbare Entwicklungsspiegelung ist auch der Dorf-Grundriß . Dabei sind nicht Form und Größe der Häuser sowie die Anordnung der Wirtschaftsgebäude von Bedeutung, denn diese sind eher Wandlungen unterworfen als die Anordnung der Wohngebäude, die im wesentlichen seit ihrer Entstehung erhaltengeblieben ist. In der Regel stehen die Gebäude der Bebauungseinheiten, die gemeinsam aus einer älteren Bebauungseinheit entstanden sind, beisammen. Jedoch wurde dieser Brauch konsequenter in den älteren als in den jüngeren Zeitabschnitten befolgt. Manchmal zeichnen sich die Wohngebäudegruppen völlig klar ab, ein andermal sind sie hingegen durcheinandergemischt. In zahlreichen Dörfern tragen die einzelnen Gruppen in einer Siedlung besondere Namen und zuweilen weiß die Volksüberlieferung zu berichten, welcher Dorfteil der ältere ist. Auch das kann unsere Arbeit unterstützen.

Im Unterschied zum Land, das fast nach Belieben aufteilbar ist, war das bei der Aufspaltung der älteren Bebauungseinheiten mit den Häusern nicht möglich. Einer der neu entstandenen Teile behielt das alte Wohnhaus, während sich die übrigen Teile neue errichten mußten. Das Kräfteverhältnis, das entschied, wer das alte Haus behielt und wer ein neues erbauen mußte, konnte sich ein wenig auch beim Aufteilen der Flur widerspiegeln. Dem im alten Haus Verbleibenden wurde manchmal ein etwas größerer Anteil auf der alten Flur zugeteilt. Daraus läßt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schließen, welche Häuser älter und welche jünger sind. Die Entwicklung des Dorf-Grundrisses und der Flurformen erhellen also einander.

Es ist jedoch riskant, auf die Besiedlungsgeschichte eines Dorfes lediglich nach der endgültigen Form des Dorf-Grundrisses, wie ihn der Grundkataster vermittelt, zu schließen. Die bisher vertretene Ansicht, daß der Straßendorf-Grundriß jünger ist als der Haufendorf-Grundriß, haben vereinzelte Beispiele der Bleder Dörfer auf den Kopf gestellt. So ist der Straßendorf-Grundriß von Zagorice älter als der Haufendorf-Grundriß von Želeče (Župa, III.12.c.), desgleichen ist im Dorf Grad der nördliche Straßendorfteil älter als der zentrale Haufendorfteil (Župa, III.9.c.). Sehr im allgemeinen betrachtet, sind die Haufendörfer tatsächlich älter als die Straßendörfer, da jedoch öfters Ausnahmen möglich sind, kann diese Ansicht nicht immer als feststehende Regel gelten. Eine bessere Bestimmung des Unterschieds zwischen beiden scheint mir die zu sein, daß der Haufendorf-Grundriß die Folge einer nicht planmäßigen, der Straßendorf-Grundriß dagegen einer planmäßigen Entwicklung sind, ungeachtet des Zeitpunkts ihrer Entstehung.

* * *

Der scheinbar haufendörfliche Grundriß von Spodnje Gorje erhält, wenn man nur die Wohngebäude berücksichtigt, in Übereinstimmung mit der vorgelegten Flurentwicklung eine ordnungsgemäße Gestalt. Die Wohnhäuser der drei ältesten Einheiten 4, 5, 6 bilden den Südteil des Dorfes (Abb. 7). Den Nordteil des Dorfes bilden die regelmäßig angeordneten Wohnhäuser der Huben 12, 16, 13, 15, die ehemals ein Bestandteil der größeren Einheiten 6-12-16 und 4-13-15 waren. Der Zwischenraum wurde später durch die jüngsten Huben 1, 2, 9, 14 ausgefüllt (Abb. 2). Die Darstellung der Flurentwicklung wird durch eine solche sinnvolle Entwicklung des Dorf-Grundrisses erhärtet.

1.5 Plan der Dorfentwicklung

Nachdem wir mittels der retrograden Analyse des Grundkatasters das Bild der Entwicklung des Dorfes und seiner Flur erschlossen haben, wollen wir all dies noch mit einem Plan veranschaulichen. Wir zeichnen die einzelnen Bebauungseinheiten samt den Hausnummern der Wohnbauten ein und zeigen ihre Aufspaltungen bis zum Stand auf, den der Grundkataster aufgezeichnet hat. Die so gewonnene Pyramide können wir mit den schriftlichen und den archäologischen Quellen verknüpfen.

Abb. 10. Spodnje Gorje. Bild der Dorfentwicklung.

Dem Angeführten gemäß verlief die planmäßige Entwicklung des Dorfes Spodnje Gorje (Abb. 10) folgendermaßen. Zuerst entstand eine Bebauungseinheit mit ihrer Flur südlich der Siedlung. In der folgenden Entwicklungsstufe entstanden daraus zwei Einheiten - 4 und 6. Sie teilten die alte Flur untereinander auf und rodeten sich dazu je eine neue, jede in einem Stück. Es folgte die Teilung von 6 in 6 und 5. Diese zwei teilten untereinander die alte, wie auch die neue Flur auf, die sie sich westlich des Dorfes gerodet hatten. Diese Rodung erfolgte in Zusammenarbeit mit den Siedlern von Viševnica. Dort ist diese Flur am ältesten (Župa, III.4.b.), deshalb kamen die Siedler höchstwahrscheinlich aus Spodnje Gorje, vielleicht aus der Einheit 4, deren Flur zwar in dieser Periode keine Wandlungen erlebte. Die Einheiten 4 und 6 wurden später noch um je zwei Familien vergrößert, wobei sie indessen Bebauungs-Eigentumseinheiten verblieben. Im Laufe der folgenden Entwicklung zerfielen diese zwei Einheiten in einzelne Huben: 4 in 4, 13, 15 - 6 hingegegn in 6, 12, 16. Die Einheit 5 erfuhr keine derartige Ausweitung. In der Endphase kam es noch zur Aufspaltung der einzelnen Huben: 5 in 5 und 1 - 13 in 13 und 14, 15 in 9 und 15 - 16 in 2 und 16.

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