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MODELL DER ETHNOGENESE DER SLAWEN AUF DER GRUNDLAGE EINIGER NEUERER FORSCHUNGEN

Andrej Pleterski

Das Gebiet der baltoslawischen Gemeinschaft



Abb. 1. Das Gebiet der baltoslawischen Gemeinschaft.
1. Das Gebiet der "baltischen" Wassernamen. 2. Die Ober-Oka-Kultur. 3.Die Juhnov-Kultur. 4. Die Milograd-Kultur. 5. Die Strichkeramik-Kultur. 6. Die Dnjepr-Dwina-Kultur.

Den wichtigsten Anhaltspunkt bietet der linguistische Atlas der Hydronymie des oberen Stromgebietes des Dnjepr (Toporov, Trubačev 1962), den Trubačev (1968) später noch für den Bereich des rechten Dnjepr-Ufers ergänzte. Die Autoren konnten die Süd- und Südostgrenze der baltischen Gewässernamen aufzeigen und rege Beziehungen zwischen Balten und Iranern im Sejm-Gebiet nachweisen (Toporov, Trubačev 1962, 231). Bedeutend ist die Feststellung, daß die Region nördlich des Pripjat erheblich später slawisiert worden war als das südlich davon gelegene Gebiet und daß die slawische Abwanderung von Süden nach Norden erfolgte. Dabei vermischten sich die Slawen mit den Balten und slawisierten sie allmählich, nachdem die Epoche der Zweisprachigkeit verstrichen war (Toporov, Trubačev 1962, 232 ff.; Trubačev 1968, 11). Als V. V. Sedov die sprachlichen und die archäologischen Angaben im Sejm-Gebiet miteinander in Beziehung setzte, konnte er überzeugend die Übereinstimmung mit dem Stand der archäologischen Kulturen im dritten Viertel des 1. Jahrtausends v. Chr. zeigen und die Gruppe der archäologischen Kulturen der baltischen Bevölkerung im Bereich der baltischen Gewässernamen bestimmen (Sedov 1965). Diese Gruppe betrachtet J. Okulicz als archäologischen Reflex der baltoslawischen Sprachgemeinschaft, wobei er noch nicht das von ihm nur vermutete Verfahren der Abspaltung der Slawen darstellen konnte (Okulicz 1986, 28 ff.).

Die Gruppe der Kulturen - die Milograd-, Juhnov-, Strichkeramik-, Dnjepr-Dwina-, Ober-Oka-Kultur - stimmt mit dem Bereich der baltischen Gewässernamen in der Tat hervorragend überein (Abb. 1). Ziemlich genau im Süden, im Nordosten sind Abweichungen zu erkennen, die man sich dadurch erklären kann, daß im Süden die Grenze infolge der Slawisierung "versteinert" ist, im Norden konnte sie sich dagegen aufgrund der späteren baltischen Wanderungen noch verändern. Infolge der Abwanderung der Balten nach Westen (Okulicz 1986, 28 ff.) ist die Westgrenze nicht bestimmbar. Wenn wir ein derart bestimmtes Gebiet nur als baltisch betrachten und nicht als baltoslawisch, fehlt es an Raum für die späteren Slawen. Südlich davon liegt nämlich schon das Gebiet der iranischen Namen auch der skythischen Zeit (Sedov 1965, Ris. 1) sowie der thrakischen Namen der vorskythischen čornolis-Kultur (Berezanskaja 1988), womit der Raum ausgefüllt ist, den später die archäologischen Kulturen der Slawen besetzen. Bedeutsam ist die Feststellung von A.P. Vanagas, daß die baltische Hydronymie stärkere archaische Züge aufweist als die slawische, und vor allem die Forschungen V.V. Ivanovs und V.N. Toporovs, wonach das Modell der slawischen Sprachen ein Ergebnis der Umbildung der baltischen Sprachen ist, denn das slawische System läßt sich aus dem entsprechenden baltischen ableiten, das baltische System kann man dagegen nicht aus der frühurslawischen Struktur herleiten (Popowska-Taborska 1993, 128). Das würde auf eine Art Abspaltung der Protoslawen vom gemeinsamen baltoslawischen Kern hindeuten. Da sich darin nicht mehr die späteren Protoslawen befanden, wurde der Rest automatisch urbaltisch. In diesem Sinne gibt es keine Grenze zwischen den Baltoslawen und den Urbalten. Oder wie sich V.N. Toporov (1980, 12) vereinfacht ausdrückte, die slawischen Sprachen seien die Kinder der baltischen, prinzipiell die zweite, zeitlich jüngere Generation. Schon J. Werner wies auf die Möglichkeit hin, daß man die baltoslawischen Gewässernamen im Bereich der "baltischen" Hydronymie suchen müsse (Werner 1971, 251).

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