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MODELL DER ETHNOGENESE DER SLAWEN AUF DER GRUNDLAGE EINIGER NEUERER FORSCHUNGEN

Andrej Pleterski

Zeit der Kiewer-Kultur

Der Ursprung der Kiewer Kultur aus der Spät-Zarubincy-Zeit ist unbestritten, denn sie stellt nur deren weitere Entwicklungsstufe dar, was besonders überzeugend Oblomskij (1991) bewiesen hat mit einer genauen typologischen und statistischen Analyse der Fundorte beider Epochen in der Dnjepr- und Don-Wasserscheide. Als er seine Untersuchungen auf den Gesamtbereich der Kiewer-Kultur ausdehnte (Oblomskij 1992), bestätigte er die alte zeitliche Grenze ihres Anfangs am Ende des 2. Jhs. und zu Beginn des 3. Jhs. Die Mittel-Dnjepr-Gruppe der Kiewer Kultur war entstanden, wie er ferner feststellte, durch Mischung der Bevölkerung der Spät-Zarubincy-Gruppen: Ljutiž, in erheblich kleinerem Maße die Gruppen Grini - Vovki oder die Ober-Dnjepr-Gruppen. Die Kiewer Gruppe an der Dnjepr- und Don-Wasserscheide entstand durch Verschmelzung der östlichen und der westlichen Gruppe der Spät- Zarubincy-Fundstätten des Typs Kartamyševo-2 - Ternovki-2. Die Kiewer Gruppe an der Desna kann man weder mit der Počep-Spät- Zarubincy-Gruppe noch mit der Gruppe Grini- Vovki enger in Verbindung bringen, obwohl ihre Spät-Zarubincy-Herkunft offensichtlich ist; deswegen sucht Oblomskij (1992, 42) eine Erklärung in der Zuwanderung von anderswo. Möglich ist noch eine andere Erklärung. Ein Blick auf die Karte der Spät-Zarubincy-Zeit zeigt die Passierbarkeit und Verschiedenartigkeit des Gebietes an der Mittel-Desna (Abb.5, 6), wo sich die Fundorte der Počep-Gruppe der Gruppe Grini - Vovki, der Strichkeramik- und der Zubra(?)-Gruppe vermischen. Deswegen könnte die Besiedlung der Kiewer Epoche nur eine Fortsetzung und Synthese einer älteren darstellen. Die Besonderheiten können wir auf diese Weise anhand der verschiedenartigen Grundlage erklären. Außerdem soll es dort auch Funde des Kreises Grini (am Mittel-Dnjepr) - Abidna (am Ober-Dnjepr) geben, wie auf der Siedlung Mena 5 (Kuhars'ka, Oblomskij 1988, 50), was wir als Ausdruck der weiteren Volksgruppenwanderungen zwischen den Bereichen der einzelnen Gruppen betrachten können. Aus den Funden kann man auch auf die Ober-Dnjepr-Herkunft der Einwohner von Rjabovka 3 an der Vorsklica schließen (Oblomskij 1994, 47). Es gab aber auch eine umgekehrte Strömung, denn der Fundort Gudok weist Ähnlichkeiten auf mit der Fundortgruppe an der Desna (Oblomskij 1991, 122). Roišče in der Desna-Gruppe hat seinen Ursprung in der Mittel-Dnjepr-Gruppe (Oblomskij 1991, 121 f.). Schon in der ersten Hälfte des 4. Jhs. begannen einzelne Gruppen vom Desna-Gebiet in die Region der Dnjepr- und Don-Wasserscheide einzuwandern, was die Siedlung Kurgan - Azak erkennen läßt, die nach ihren Charakteristika schon die Elemente der Koločin-Kultur aufzeigt. Dort befanden sich sogar einige Gefäße des Moščiny-Ursprungs (Oblomskij 1994, 50 ff.).



Abb. 8. Die Urslawen im 3. und 4. Jh.
1. Die Mittel-Dnjepr-Gruppe der Kiewer-Kultur. 2. Die Desna-Gruppe der Kiewer-Kultur. 3. Die Ober-Dnjepr-Gruppe der Kiewer-Kultur. 4. Die Dnjepr-Don-Wasserscheide-Gruppe der Kiewer-Kultur. 5. Die černjahiv-Kultur. 6. Der Huneneinfall. 7. Der Kriegszug der Hermanarich Richtung Ostsee. 8. Der Kriegszug der Hermanarich Richtung Wolga. 9. Die Typ-Etulia-Gruppe in Budschak-Steppe.

Es gibt aber auch Anzeichen für eine Wanderung innerhalb der einzelnen Gruppen der Kiewer-Kultur. So verbindet die allgemeine Entwicklungslinie die frühen Kiewer Fundorte des nördlichen Teils der Gruppe an der Desna mit jüngeren in ihrem südwestlichen Teil (Oblomskij 1991, 122). Die Schicht der zweiten Hälfte des 3. Jhs. in der Siedlung Boromlja 2 im Flußgebiet der Vorsklica verbindet Oblomskij (1994, 50) mit der Zuwanderung der Gruppe vom Gebiet der Dnjepr- und Don-Wasserscheide. - All diese Wanderungen innerhalb des Gesamtgebietes der Kiewer-Kultur lassen eine Siedlungsunbeständigkeit erkennen (Abb. 8), die Folge davon war ein Ausgleich der Unterschiede und eine Erhaltung der Einheit der archäologischen Kultur (Oblomskij 1994, 53), als ob die Urslawen damals an Ort und Stelle schritten. In sprachlicher Hinsicht ist dies die sinnvollste Zeit des einheitlichsten Urslawischen.

In der späten Zarubincy- und der frühen Kiewer-Zeit bestehen flüchtige Beziehungen mit den Sarmaten östlich des Oskol-Flusses. Von der Abwanderung einer kleineren Bevölkerungsgruppe auf sarmatisches Gebiet zeugt das Gräberfeld Injasevo im Hopra-Flußgebiet (Oblomskij 1991, 82). Der Erklärung, bestimmte Typen sarmatischer Gefäße und Schüsseln seien von der späten Zarubincy-Bevölkerung an der Dnjepr- und Don-Wasserscheide übernommen worden (Oblomskij, Tomaševič 1993, 52), widerspricht Medvedev (1993), der einen gemeinsamen älteren Ursprung nachweist. Übrigens wurden im Bereich der Dnjepr- und Don-Wasserscheide nur einzelne Gegenstände sarmatischen Ursprungs gefunden, in der frühen Kiewer Siedlung Šišino-5 wurde ein Skelett entdeckt, das anthropologisch den sarmatischen Skeletten des Don-Gebietes ähnelt (Oblomskij 1991, 82; Oblomskij, Tomaševič 1993, 52 ff.).

Die Černjahiv-Kultur (Abb. 8: 5), die sich allmählich nach Osten und Nordosten ausbreitete, erreichte in der zweiten Hälfte des 3. Jhs. den südlichen Teil der Mittel-Dnjepr-Gruppe der Kiewer Kultur (Terpilovskij 1984, 82) und bis zu Beginn des 4. Jhs. verdrängte sie die Kiewer Bevölkerung, wie die Siedlung Glevaha zu erkennen gibt (Terpilovskij 1988, 212). Auch in den übrigen Kiewer Fundorten tritt eingeführte Černjahiv-Keramik in Erscheinung, die Kiewer Keramik in einigen Černjahiv-Fundorten soll dagegen von Einwohnern Kiewer Ursprungs zeugen (Terpilovskij 1984, 83). In der ersten Hälfte des 4. Jhs. tauchen einige Černjahiv-Merkmale auf in der Keramik und Baukunst in der Gruppe der Kiewer Kultur an der Desna (Terpilovskij 1984, 83 f.). Im 4. Jh. erfaßte die Černjahiv-Kultur auch den südlichen Teil der Dnjepr- und Don- Wasserscheide, als die Kiewer Schicht von Kurgan - Azak von der Černjahiv-Besiedlung überlagert wird (Oblomskij 1994, 50). Einzelne Gruppen siedelten sich noch nördlicher unter der Kiewer Bevölkerung an, was die dortigen Veränderungen in den Formen und der Verzierung der Gefäße sowie beim Häuserbau erkennen lassen. Der Černjahiv-Fundort Golovino I im Donez-Gebiet weist dagegen mit Funden der Kiewer Kultur auch auf eine umgekehrte Besiedlungsströmung (Oblomskij 1991, 115).

Die Anwesenheit der Kiewer Bevölkerung im entfernten Handelsmittelpunkt Lepesovka in Volinien (Ščukin 1989, 208) begründet Terpilovskij (1989, 246) mit der Zuwanderung einer kleineren Menschengruppe. - Interessant ist die Entdeckung einer Fundortgruppe (Abb. 8: 9) in der Budschak-Steppe in der Südmoldau aus dem 3. und 4. Jh., die sich durch ihre Charakteristika von den benachbarten unterscheiden, nach dem Bau der Häuser stimmen sie aber mit der Kiewer Kultur überein (Ščerbakova 1987). Reizvoll ist die Erklärung, es handle sich um den letzten Rest der Spät-Zarubincy- Gruppe des Typs Rahni, obwohl sie desgleichen ihren Ursprung in einer anderen Spät-Zarubincy- oder frühen Kiewer Gruppe haben könnte. Sie als Veneder von Peutingers Karte zu betrachten ist allerdings übertrieben.

Jordanes (Getica, 116 - 120) schildert die Kriege des Königs der ostgotischen Greutungen Hermanarich mit verschiedenen Nordvölkern, den Herulen, Aesten und Venetern, die er unterworfen haben soll. Den archäologischen Niederschlag dieses Geschehens suchte M. Kazanski (1992) zu erfassen, unter der Voraussetzung, daß die aufgeführten Völker und die Goten Kontakte hatten, die auf mehreren Wegen bestanden haben mußten. Anhand der Kartierungen einzelner Funde rekonstruierte er die damaligen Hauptverbindungswege: Dnjepr - Baltikum, Baltikum - Wolga, Dnjepr - Wolga. Hermanarichs Feldzüge im zweiten und dritten Viertel des 4. Jhs. wurden, mit Ausnahme des Feldzugs gegen die Herulen an der Einmündung des Don, auf den Wegen Dnjepr - Baltikum, Dnjepr - Wolga geführt. Ihre Absicht soll vor allem wirtschaftlicher Natur gewesen sein: die Kontrolle über den Handel mit dem Binnenland. Bei den Waren handelte es sich angeblich um Pelze, Bernstein, wahrscheinlich auch um Gold, Honig und Wachs (Kazanski 1992, 94 ff.). Beide Straßen (Abb. 8: 7,8) durchqueren das Gebiet der Kiewer Kultur, was dem Sinn nach eine Gleichsetzung ihrer Bevölkerung mit den slawischen Venetern ermöglicht, ihre militärische Niederlage konnte die von der Übersicht der Kolonisationsgeschichte aufgezeigte Ausbreitung der Bevölkerung der Černjahiv-Kultur nach Norden erleichtern.

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