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MODELL DER ETHNOGENESE DER SLAWEN AUF DER GRUNDLAGE EINIGER NEUERER FORSCHUNGEN

Andrej Pleterski

Protoslawen

Das Gebiet der ältesten slawischen Gewässernamen liegt in den südlichen Randgebieten der baltischen Gewässernamen. Dabei hat der Bereich der slawischen Namen des linken Dnjepr-Ufersgebietes Eigenschaften, die auf eine Besiedlung vom rechten Ufergebiet hindeuten. Auch hier gibt es mehrere Gruppen archaischer slawischer Gewässernamen, die nicht aus derselben Zeit stammen. Als eine Art Übungsplatz des Slawentums tritt die Gruppe im Ostteil des rechten Pripjat-Ufergebietes hervor (Trubačev 1968, 270 ff.) Dieser Bereich liegt im zentralen Teil des Gebietes (Abb. 3: 3), wo um 200 v. Chr. die Zarubincy-Kultur entsteht.



Abb. 3. Die Protoslawen in dem 2. Jh. v. Chr.
1. Die Poieneºti-Lukaševka-Kultur. 2. Die Polesien-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 3. "Übungsplatz" der slawischen Wassernamen (nach Trubačev). 4. Die Ober-Dnjepr-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 5. Die Mittel-Dnjepr-Gruppe der Zarubincy-Kultur.

In den Einzelheiten ist sie noch wenig erforscht, doch genügen für den Ausbau des Modells auch deren grobe Umrisse. Die erforschten Fundorte bilden drei dichtere Gruppen: im Pripjat-Polesien, am oberen und am mittleren Dnjepr (Abb. 3: 3-5). Wegen ungenauer Chronologie ist nicht geklärt, ob alle drei gleichzeitig entstanden sind. Im dazwischenliegenden Bereich sind zur Zeit nur einzelne Fundorte bekannt, neue Entdeckungen sind natürlich möglich. Strukturell ist die Entstehung der Ober-Dnjepr-Gruppe am besten bekannt. Die Analyse der einzelnen Arten archäologischen Materials ihrer frühesten Phase deutet darauf hin, daß es um eine Verbindung von Eigenschaften einer fremden Pommerschen-Glockengräber-Gruppe und der lokalen Milograd-Kultur handelt. Im Besiedlungssinne kann man dies als Zuwanderung einer neuen Bevölkerung vom Westen erklären, vielleicht vom Bereich Masowiens, die mit der lokalen Bevölkerung verschmolzen ist (Oblomskij 1985). In ähnlicher Weise läßt sich auch die Entstehung der beiden anderen Gruppen erklären (Abb. 2), die sich auf der Grundlage örtlicher, mit der Kultur der Ackerbau-Skythen vermischten Varianten der Milograd-Kultur herausbildeten, wobei die skythischen Eigenschaften insbesondere in der Mittel-Dnjepr-Gruppe am stärksten ausgeprägt sind (Maksimov 1988). Zu dieser Grundlage gesellen sich einige Eigenschaften der Keramik der Pommerschen-Glockengräber-Kultur, am auffälligsten in Polesien (Pačkova 1990a, 59). In der Polesien- und Mittel-Dnjepr-Gruppe gibt es auch Gefäße mit den Eigenschaften der Jastorf-Kultur und ihrer Gruppen (Kasparova 1981, 67 ff.). So ist die Zarubincy-Kultur keine unmittelbare Fortsetzung der oben aufgeführten Kulturen, sondern eine Neubildung, die durch deren Verschmelzung entstanden ist (Maksimov 1991, 8).

Der Strom der germanischen Gruppen, die gegen Ende des 3. Jhs. das Gebiet Norddeutschlands sowie der Nachbarregionen zu verlassen begannen und in Richtung Südosten zogen, kam erst in der Moldau zum Stillstand. Etwa zur gleichen Zeit wie die Zarubincy-Kultur entstand dort die Poieneºti-Lukaševka-Kultur, die man mit ziemlicher Gewißheit mit den germanischen Bastarnen gleichsetzen kann (Babeº 1988). Wie gesagt, gelangten einzelne germanischen Gruppen auch in den Bereich der Polesien- und der Mittel-Dnjepr- Gruppe der Zarubincy-Kultur. Vielleicht etwas später, in der zweiten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. entstand in Mittel- und Südpolen als Folge dieser Wanderungen die Przeworsk-Kultur, die man den Germanen zuschreiben kann. Sie siedelten in dem Gebiet, das zuvor von der Bevölkerung mit der Pommerschen-Kultur und der Glockengräber-Kultur besiedelt war. Viele ihrer Fundorte hören auf zu bestehen, einige Zeit dauert das räumlich vermischte, jedoch kulturell voneinander getrennte Leben der Altansässigen und der Zuwanderer. Dann verschwinden die Spuren der Altansässigen, da sie von den Zuwanderern assimiliert werden (God³owski 1985, 15 ff.). Wahrscheinlich erscheint mir die Interpretation von J. Okulicz, wonach man die Alteinsässigen mit dem historischen Namen Veneter benennen kann und die Gruppe der alteuropäischen Gewässernamen Ostpommerns ist als ihr Erbe zu betrachten (Okulicz 1986, 25 f.). Die Abwanderung eines Teils ihrer Bevölkerung nach Osten bis zum Dnjepr steht in offensichtlichem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Wanderung der Germanen (Abb. 2: 2, 3).



Abb. 2. Die Protoslawen in dem 2. Jh. v. Chr.
1. Das Gebiet der "baltischen" Wassernamen. 2. Einwanderung der Bevölkerung der Pommershen-Glockengräber-Kultur. 3. Einwanderung der Germanen.

Die Ankunft der Veneter in erster Linie im Bereich der baltoslawischen Bevölkerung der Milograd-Kultur und in deren Randgebieten kann den strukturellen Grund bilden, der sich auch auf die Sprache der Bevölkerungsgemeinschaft der neuentstandenen archäologischen Kultur auswirkte. Sie veränderte sich im Vergleich zur alten und noch immer benachbarten baltoslawischen, jetzt nur noch baltischen Sprache. Diese großen Umrisse entsprechen der groben Einschätzung F. Bezlajs, daß das Urslawische venetisiertes Baltisch sei (Pleterski 1990, 57). Deswegen betrachte ich die Zarubincy-Kultur als archäologischen Reflex der Protoslawen. Die Verschiedenartigkeit ihrer Ursprünge deutet auf die Möglichkeit hin, daß in der sprachlichen Genese ihrer Bevölkerung auch die germanischen, iranischen und vielleicht sogar keltischen Sprachen beteiligt waren. Zugleich erscheint es mir unangebracht, die Slawen noch in älteren archäologischen Kulturen zu suchen, weil darin nur die älteren Baltoslawen zu finden sind. - Wir können uns auch erklären, warum die Germanen die Slawen mit dem venetischen Namen bezeichneten. Zunächst stießen sie auf die Veneter, die darauffolgenden Protoslawen betrachteten sie als "gleich", den sie wurden beim Vorstoß zum Schwarzen Meer von der Nordseite die ganze Zeit von Leuten begleitet (Abb. 2: 2, 3), die ebenso vom venetischen Gebiet kamen. Durch den Abzug eines Teils der Veneter nach Osten werden auch die Resultate der Analysen von schriftlichen Quellen erklärt, wonach antike Autoren (Plinius, Tacitus, Ptolemaios) von zwei Venetergruppen schreiben, einer am Baltikum und der anderen nördlich der Karpaten irgendwo in der Ukraine und in Weißrußland, diese Doppelheit sollte auch die "Tabula Peutingeriana" mit getrennter Anführung der Veneter und der Sarmaten-Veneter bestätigen (Kolendo 1984). Man muß also zwischen den "Veneti propriedicti" und den "Slawen-Venetern" unterscheiden. Aber Tatsache bleibt, daß die Slawen sich selbst nicht mit dem venetischen Namen bezeichneten.

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