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MODELL DER ETHNOGENESE DER SLAWEN AUF DER GRUNDLAGE EINIGER NEUERER FORSCHUNGEN

Andrej Pleterski

Klassische Zarubincy-Zeit

Nördlich des Pripjat dauerte die Milograd-Kultur noch einige Zeit parallel zur Zarubincy-Kultur fort. Der Versuch der Zarubincy-Kultur-Bevölkerung, diesen Bereich zu besiedeln, hatte keinen länger andauernden Erfolg. So traten Zarubincy-Funde auf dem Burgwall Ivan' Ende des 2. oder zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. auf, aber schon vor der Zeitenwende wurden sie von den Funden der Strichkeramik-Kultur überschichtet, die sich damals in Richtung Dnjepr und Pripjat ausbreitete (Abb 4: 6). Der Burgwall wird zu einem der Grenzstützpunkte gegen die Bevölkerung der Zarubincy-Kultur, die in der Zwischenzeit schon den übrigen Raum der Milograd-Kultur besiedelt hatte (Egorejčenko 1988, 64 f.). Die Ausbreitung des Gebietes der Zarubincy-Kultur im 1. Jh. v. Chr. in den Bereich des Ober-Dnjeprs soll angeblich die Folge des Bevölkerungswachstums darstellen (Maksimov 1990, 22). Etwa zur gleichen Zeit dehnte sich auch der Umfang der Mittel-Dnjepr-Gruppe der Zarubincy- Kultur aus (Maksimov 1990, 21). Im Bereich des Mittel- und Oberlaufes des Süd-Bugs und in einem Teil des Dnjestr-Mittellaufes entstand eine neue Gruppe der Zarubincy-Kultur (Havljuk 1975), deren Bevölkerung vom mittleren Dnjepr-Gebiet gekommen sein soll (Maksimov 1990, 22). Kleinere Menschengruppen brachen von Polesien auch nach Westen auf bis zum linken Ufergebiet des Westlichen Bug- Oberlaufes, wo sie sich mit den Siedlern der Przeworsk-Kultur vermischten, die sich in dieser Zeit hier nach Südosten ausbreitete und in der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. das obere Dnjestr-Gebiet erreichte (God³owski 1985, 30 f.), wo sich bis Ende des Jhs. ihre lokale Gruppe herausbildete (God³owski 1985, 38).



Abb. 4. Die Protoslawen in dem 1. Jh. v. Chr. und in der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr.
1. Die Ober-Dnjepr-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 2. Die Polesien-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 3. Die Mittel-Dnjepr-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 4. Die Mittel-Süd-Bug-Gruppe der Zarubincy-Kultur. 5. Der Einfall der Sarmaten. 6. Die Strichkeramik-Kultur. 7. Die Przeworsk-Kultur. 8. Die Lypyca-Kultur.

Einzelne Gruppen der Zarubincy-Kultur sind nicht nur geographisch bestimmt, sondern sie unterscheiden sich auch wegen der verschiedenen Grundlagen in der Zeit ihres Entstehens. Die anfängliche Verschiedenartigkeit wurde teilweise ausgeglichen (Maksimov 1991, 8 f.) und in der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. haben sich schon alle charakteristischen Eigenschaftem der Zarubincy-Kultur entwickelt; zugleich bewirkten die Kontakte mit verschiedenen benachbarten Kulturen ein ständiges Eindringen neuer Eigenschaften, die sich aber auf einige Gruppen begrenzten (Kozak, Pačkova 1990, 87 f.). So ähneln sich im Hinblick auf den Bestattungsbrauch am meisten die Polesien- und die Ober-Dnjepr- Gruppe, eine geringere Ähnlichkeit weist die Polesien-Gruppe mit der Mittel-Dnjepr-Gruppe auf, die kleinste Ähnlichkeit besteht hingegen zwischen der Ober-Dnjepr- und der Mittel-Dnjepr-Gruppe (Pačkova 1990, 47). Die Bevölkerung der Mittel-Dnjepr-Gruppe hatte enge Beziehungen zur Bevölkerung der Unter-Dnjepr-Gruppe der spätskythischen Fundorte. Davon zeugen die Keramikfunde der Zarubincy-Gruppe in der spätskythischen Gruppe und umgekehrt. Im Zarubincy-Gräberfeld Didov Šiil' wurde die Hälfte der Bestattungen nach spätskythischem Brauch abgehalten, es gibt dort auch ziemlich viel Gegenstände, die für das Nieder-Dnjestr-Gebiet charakteristisch sind, einzelne Körpergräber auf den Zarubincy- Gräberfeldern Pirogiv und Korčuvate ähneln in anthropologischer Hinsicht denen im Nieder-Dnjestr-Gebiet (Maksimov 1990, 20).

Ende des 1. Jhs. v. Chr. setzten die Eroberungszüge der sarmatischen Jazygen ein (Abb 4: 5). Sie zerstörten einige Mittel-Dnjepr- Ringwälle und eroberten bis zur 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. den Bereich bis zum Stunga-Einzugsgebiet (Maksimov 1990, 21 ff.). Durch ihr Eindringen nach Pannonien wurden die Wanderungen der dortigen Völker in Gang gesetzt, die Daker wurden in die Berge und Wälder vertrieben (Plinius, Naturalis historia IV, 80, 81). Zu Beginn der Zeitenwende begegneten die Daker den Siedlern der Przeworsk-Kultur am Ober-Dnjestr-Stromland in Nordgalizien (Abb 4: 7, 8). Ihren archäologischen Niederschlag finden sie in der Lypyca-Kultur, deren Fundstätten sich Mitte des 1. Jhs. n. Chr. häufen. Den anfänglichen Kontakten folgt ein halbes Jahrhundert andauernder Verschmelzungsprozeß der Przeworsk- und der Lypyca-Kultur in Nordgalizien (Kozak 1992, 24).

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